Alt-Wartenburg: untergegangen 1354

von Johannes Götz

 

Von Felix Biermann

Beim Dorf Alt-Wartenburg unfern Allensteins (Barczewko bei Olsztyn, Woiwodschaft Ermland und Masuren, Nordostpolen) liegen auf einem Geländesporn am Ufer des Wadangsees die Wälle der ersten Stadt Wartenburg, die bald nach 1325 durch das Bistum Ermland gegründet und bereits 1354, nach einer kriegerischen Zerstörung, wieder aufgegeben worden war. Ein neuerlicher Aufbau erfolgte an anderer Stelle. Seitdem liegen die Überreste der Initialgründung unberührt in der Erde. Ein Projekt der Universitäten Danzig/Gdańsk und Greifswald, das maßgeblich durch die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien, aber auch durch die Universität Danzig, die Gemeinde Barczewo und nicht zuletzt durch den Historischen Verein für Ermland gefördert wird, erforscht diesen Platz mit historischen, naturwissenschaftlichen und archäologischen Methoden.

 

Blick auf die „Altstadt“ von Alt-Wartenburg von Westen während der Ausgrabungen 2018, vorn gut sichtbar die Wallbefestigung (Foto: L. Plith Lauritsen)

Alt-Wartenburg hatte sich nach seiner Gründung wohl unter Bischof Eberhard von Neiße zunächst gut entwickelt, wurde 1354 jedoch von litauischen Truppen zerstört. Der Ordenschronist Wigand von Marburg hebt hervor, alle Bewohner seien dabei umgebracht worden. Die Kolonisten waren Opfer der Auseinandersetzungen zwischen dem Deutschen Orden und dem Großfürstentum Litauen geworden, die das 14. Jahrhundert prägten.

 

Senkrechtaufnahme der „Altstadt“ mit Geomagnetikplan. Gut sichtbar die auf die verkohlten Holzkonstruktionen der Keller zurückgehenden magnetischen Anomalien (Kartierung und Graphik J. Miałdun, P. Wroniecki)

Die Stadt war zwar klein, besaß dabei jedoch alle Elemente, die zu einer urbanen Ansiedlung gehörten: Einen rechteckigen Marktplatz im Zentrum mit prominent platziertem „Rat“- bzw. „Kaufhaus“, ein regelmäßiges Straßennetz, eine aus Wall und Graben bestehende Stadtbefestigung, eine Kirche mit Friedhof in regionaltypischer Randlage, ein Badehaus und etwa zwei Dutzend Bürgerhäuser. Die Stadt entstand ohne Vorgänger, ihr Grundriss wurde gleich anfangs durch Vermessung festgelegt – eine Planstadt am Rande der zeitgenössisch als „große Wildnis“ bezeichneten südöstlichen Gebiete des Preußenlandes. Alle Bauwerke bestanden aus Holz und Lehm bzw. Fachwerk; bevor der Backstein auch in einer so peripheren Ansiedlung gängig wurde, ging die Stadt unter. In den freigelegten Kellern geben die verkohlten Holzwände eine Vorstellung von der Bauweise der Häuser – Eckpfosten mit Spannbalken fixierten senkrechte Wandbretter an den Baugrubenseiten. Die schlagartige Zerstörung von 1354 verursachte, dass die Ausgrabungen viele Dinge antrafen, die seit jenem Unglückstag an Ort und Stelle verblieben oder damals in die Keller gestürzt waren: Tongefäße, Daubenfässer, Agrargerät – etwa ein Pflug mit Schar und Sech –, Hühnereier, im Feuersturm verteiltes Getreide, ein großer Buntmetallkessel u. a. Silbermünzen waren hastig hinter den Wandbrettern der Keller verborgen worden. Nicht nur Armbrustbolzen und Pfeilspitzen zeugen von dem Gewaltereignis, sondern auch von Trümmern begrabene Gebeine zu Tode gekommener Menschen.

 

1354 verbrannter Keller eines Bürgerhauses mit der typischen Wandkonstruktion, vorn die Zugangstreppe (Foto F. Biermann)

Die Wirtschaftsbasis der Siedlung war zweifellos landwirtschaftlich, wurde aber durch Handwerk, v. a. die wichtige Metallbearbeitung ergänzt. Die Münzen unterstreichen die Rolle des Handels auf dem städtischen Markt. Modische Trachtsachen, glasierte Importkeramik, Steinzeug aus dem Rheinland, eine Tuchplombe aus dem wallonischen Tournai u. Ä. künden von einem gewissen Wohlstand der Einwohner, von ihren Kontakten innerhalb des preußischen urbanen Netzwerkes und darüber hinaus von ihrem Bedürfnis, in der „Großen Wildnis“ die ihnen vertraute Lebenskultur fortzuführen. Keramik einheimischer Tradition weist auf die Verbindungen der Stadtbewohner im ländlichen, noch prußisch geprägten Umfeld hin. So wird die Urbanisierung des Preußenlandes im späten Mittelalter, die weit mehr bedeutete als die Vergabe städtischer Privilegien, in der Stadtwüstung am Wadangsee nuancenreich beleuchtet. Das Projekt, dessen Leitung sich PD Dr. Felix Biermann (Greifswald), Prof. Dr. Christofer Herrmann und Dr. Arkadiusz Koperkiewicz (beide Universität Danzig) teilen, wird fortgesetzt.

 

Bei der Zerstörung in einen Keller gestürzte Kannen und ein Schälchen aus Keramik (Foto F. Biermann)
Ein eisernes Sech – das Vorschneidemesser eines Pfluges – im Brandschutt eines Hauses freigelegt (Foto O. Blum)

 

Weitere Informationen zum Projekt:
Felix Biermann, Christofer Herrmann, Arkadiusz Koperkiewicz, Alt-Wartenburg/Barczewko. Interdisziplinäre Erforschung einer spätmittelalterlichen Stadtwüstung im Ermland. In: Zeitschrift für Archäologie des Mittelalters 44 (2016), S. 115-148. Online

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